Wie sieht der richtige Reitersitz aus?

Jeder Reiter kennt das Idealbild des richtigen, ausbalancierten Dressursitzes. Der Reiter soll ruhig und aufrecht sitzen, so dass Schulter, Gesäß und Absatz eine senkrechte Linie bilden. Vom Pferdemaul über die Zügel und den Unterarm des Reiters zum Ellbogen sollte ebenfalls eine gerade Linie zu erkennen sein.
Wichtig ist, dass es sich hier um ein Idealbild handelt, das nicht immer zu 100% realisiert werden kann. Der richtige Sitz kann je nach körperlichen Voraussetzungen von Reiter und Pferd leicht vom Ideal abweichen und darauf sollte stets Rücksicht genommen werden.

Da ein Reiter sich selbst aber auf dem Pferd nicht sehen kann, nützt es ihm reichlich wenig, wenn er weiß, wie ein guter Sitz aussieht. Vielmehr muss er lernen, wie sich der richtige Sitz anfühlt.
Der Kopf sollte locker getragen werden, der Blick geht geradeaus mit Blickrichtung zwischen den Ohren des Pferdes. Die Schultern sollten locker nach hinten unten fallen, die Oberarme sind senkrecht, so dass sich die Ellbogen angewinkelt neben dem Oberkörper befinden und sie Unterarme parallel nach vorne zeigen. Die Hände müssen ruhig getragen werden, die konstante Verbindung über die Zügel zum Pferdemaul erhalten und mit den Kopfbewegungen des Pferdes mitgehen (z.B. Nickbewegung im Schritt). Dafür müssen die Handgelenke (wie alle anderen Gelenke) locker sein.
Der Oberkörper ist aufgerichtet und muss eine gewisse Spannung, nicht aber Verspannungen, haben. Die Wirbelsäule soll ihre natürliche doppelte S-Form behalten und darf auch nicht seitlich gekrümmt sein, damit sich das Gewicht des Reiters gleichmäßig verteilt und die gesamte Wirbelsäule mit der Bewegung des Pferds mitschwingen kann. Die Wirbelsäule funktioniert in der richtigen Haltung sozusagen wie eine Feder, die Stöße abdämpft.
Das Becken ist das Fundament des ausbalancierten, stabilen Sitzes. Es sollte senkrecht stehen oder leicht nach hinten kippen, so dass man auf den Gesäßknochen sitzt und auf beiden gleich viel Gewicht lastet. Die Hüftgelenke müssen losgelassen sein, damit das Bein aus ihnen heraus locker und lang hängt.
Die Oberschenkel werden leicht nach innen gedreht, so dass sie mit der Innenseite am Sattel anliegen und die Knie nach vorne zeigen. Ein guter Knieschluss ist wichtig, das heißt die Knie liegen locker am Sattel an, ohne dass der Reiter sich mit den Knien festklammert. Durch die leichte Innendrehung der Oberschenkel liegen auch die Waden mit der Innenseite am Pferd an, die Füße zeigen mit den Zehenspitzen nach vorne und der Absatz federt aus den Sprunggelenken locker nach hinten unten.

Aber auch das Sitzgefühl kann von Reiter zu Reiter sehr unterschiedlich sein und vor allem kann das Gefühl auch täuschen und man sieht von unten etwas völlig anderes, als der Reiter fühlt. Deswegen ist es ein Muss für jeden Reiter, seine eigene Körper- und Bewegungswahrnehmung ständig zu schulen und zu überprüfen. Hier wäre das Ideal, dass die Realität mit der Selbstwahrnehmung des Reiters übereinstimmt.

Interessant zu wissen ist es vielleicht auch, dass die ideale Haltung des Reiters der des Pferdes entspricht. Das Becken ist leicht nach hinten gekippt, die Wirbelsäule soll locker schwingen, der Reiter soll die hintere Halsmuskulatur (Oberhalsmuskulatur beim Pferd) benutzen, um seinen Kopf zu tragen und er muss locker im Genick sein, damit die gesamte Wirbelsäule schwingen kann. Das Becken des Reiters soll parallel zu dem des Pferdes sein und ebenso die Schultern (Drehsitz in der Biegung).
Man beobachtet auch, dass die Probleme bei Reiter und Pferd oft in derselben Zone liegen. Der Reiter kann also durch seite Haltung durchaus die des Pferds beeinflussen - im positiven und negativen Sinne. 

Man kann auch die Skala der Ausbildung des Pferds auf den Reiter übertragen. Allerdings hängen hier Takt, Losgelassenheit, Anlehnung,  Schwung und Geraderichtung auch zusammen, wie beim Pferd. So ist Geraderichtung z.B. schon am Anfang der reiterlichen Ausbildung sehr wichtig. Also kann man die Skala nicht als "Leiter" betrachten, auf der man einen Punkt nach dem Anderen abhakt.
Die Ausbildungsskala für den Reiter sieht dann aus, wie folgt:

Takt
Der Reiter soll rhythmisch mit der Bewegung des Pferdes mitgehen. Deshalb ist es selbstverständlich, dass nicht nur das Pferd einen gleichmäßigen Takt haben muss, sondern auch der Reiter.

Losgelassenheit
Damit der Reiter rhythmisch mitschwingen kann, muss er physisch und psychisch ausgeglichen sein. Alle Gelenke im Körper müssen locker sein, damit das Schwingen ermöglicht wird. Eine gewisse Grundspannung muss im Körper sein, aber es darf keine Verspannungen geben.
Der Reiter sollte auch innerlich entspannt sein, denn auch Stress und Angst können zu Verspannungen führen.

Anlehnung
Anlehnung definiert sich klassisch als die konstante und flexible Verbindung der Reiterhand zum Pferdemaul (Stichwort "am Zügel"). Diese ist aber nur möglich, wenn der ganze Sitz geschmeidig und stabil ist. Anlehnung auf den gesamten Reitersitz bezogen bedeutet, dass das Gesäß und die Schenkel eine gleichbleibende Verbindung zum Sattel/Pferd haben. Der Sitz muss also unabhängig sein (Stichwort "am Sitz").

Schwung
Der Reiter soll in allen Gangarten und Tempi mit dem Pferd kontrolliert mitschwingen können, dabei den stabilen Sitz behalten.

Geraderichtung
Nicht nur das Pferd, sondern auch der Reiter besitzt eine natürliche Schiefe. Das bekannteste Beispiel hierfür ist die Rechts- und Linkshändigkeit.
Um das Pferd nicht aus der Balance zu bringen, muss der Reiter aber seine rechte und linke Körperhälfte ausgewogen einsetzen können. Deswegen sollte der Reiter versuchen, seine eigene Schiefe zu minimieren, um dem Pferd bei der Geraderichtung zu helfen.

Versammlung
Ein versammelter Reiter hat nahezu vollkommene Kontrolle über seinen Körper, kann Hilfen gezielt und präzise zum richtigen Zeitpunkt einsetzen und hat somit die größtmögliche Einwirkung auf sein Pferd.

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